Über das Thema bloggt heute Axel Stühlmeyer, Suchtberater in der Kieler Beratungs- und Behandlungsstelle der Evangelischen Stadtmission (Wallstr. 38)
Die Grundprinzipien männlicher Sozialisation sind nach Böhnisch und Winter (1993) weiterhin durch Rationalität, Kontrolle, Körperferne, Stummheit, Gewalt und Externalisierung bestimmt. Die traditionelle männliche Rolle erwartet von einem Mann, dass er sich über seine Leistung definiert; feminine Eigenschaften vermeidet, Abenteuer und Risiken sucht und Schwächen verbirgt (Brannon 1976, Courtenay 2000). Die Auswirkungen der traditionellen Männerrolle in der gegenwärtigen Gesellschaft werden von O`Neil (1932) exemplarisch in folgenden sechs Zwängen der Männerrolle zusammengefasst:
1) das eingeschränkte Gefühlsleben
2) Die Homophobie als eine Angst vor Nähe zu anderen Männern
3) Kontroll-, Macht- und Wettbewerbszwänge
4) Ein gehemmtes sexuelles und affektives Verhalten
5) Die Sucht nach Leistungen und Erfolg
6) Der unsorgsame Umgang mit der eigenen Gesundheit
Männlichkeit macht krank – jedenfalls wenn sie im traditionellen Sinne verstanden und gelebt werden. Die einseitige Leistungs- und Kontrollbereitschaft setzt die eindimensionale Konzentration auf äußere Erfolgsziele voraus. Diese Veräußerung verlangt von Männern die Abspaltung von Emotionen, Skrupeln, Moralen und persönlichen Überzeugungen. Die Folge ist Entfremdung und Leere und „induziert eine Suchtentwicklung“.
Entwicklungsaufgaben von Männern:
Faltermaier (2007) spricht von Entwicklung von Kompetenzen und Unterstützungspotenzialen für einen angemessenen Umgang mit sozialen und kritischen Lebensereignissen (Trennungen, Verlusten ….) Daneben seien Strategien der Stressbewältigung zu erlernen, um riskantes Fluchtverhalten (Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Medienkonsum) wie auch aggressive Lösungen zu vermeiden. Diese Kompetenzen betreffen auch den Bereich der Beziehungsarbeit, damit Männer besser in die Lage versetzt werden, soziale Netzwerke aufzubauen und reziproke soziale Unterstützung in Beziehungen zu leisten.
Insgesamt muss von Männern das Verhältnis zu Risiken überdacht werden, da es gilt, die eigene Leistungsfähigkeit im Beruf, im Privaten und der eigenen Gesundheit zu erhalten und Grenzen zu akzeptieren. (Aus: „Handbuch Männlichkeiten und Sucht“ S. 15)
Schöpferische Kraft (Spiritualität)
laut Wörterbuch: Geistigkeit als Gegensatz von Materialität
Spiritus = Hauch, Atem (Lebensgeist)
Spiritus = Weingeist, Alkohol
Die dem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Ganzheit und einer höheren Macht versucht der süchtige Mensch auch mit Hilfe von Suchtmitteln zu stillen. Der Suchtmittelkonsum und der Rausch entwickeln sich dabei zunehmend zum Ersatz für das Eigentliche (Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Beachtung) oder werden zum Hilfsmittel, aus unangenehmen Lebenssituationen zu entfliehen (Langeweile, Frust, Angst, Depressionen, Sinnlosigkeit, Trauer).
Sucht bedeutet, Werte zu verlieren. Allmählich bekommt das Suchtmittel / Suchtverhalten eine größere Bedeutung als die Familie, die Kinder, die eigene Gesundheit, die Ehrlichkeit usw. Daneben entsteht innere Leere, die zunehmend andere Aktivitäten vernachlässigt werden. Der Suchtmittelkonsum / Suchtverhalten entwickelt sich zum zentralen Lebensinhalt. Suchttherapie muss von daher auch eine neue Sinnfindung und das Aufbauen neuer individueller Wertehaltungen beinhalten. Als genereller Wert ist die erneute Übernahme von Verantwortung zu nennen, für sich selbst, für andere und die Umwelt.
Werte wie,
Liebe und Mitgefühl, Ehrlichkeit und Authentizität, Klarheit, Bereitschaft zum Wachstum, Verantwortung und Disziplin, Gelassenheit, Weisheit, Verständnis wie auch Dankbarkeit und Bescheidenheit etc.
(aus: „Handbuch Männlichkeiten und Sucht“ S. 210, 2009)