Mythen in der Medizin II

Heute folgt Teil II zu den medizinischen Märchen.

11. Kinder, die Kinderkrankheiten wie Masern durchmachen, haben ein besser geschultes Immunsystem.
Ein gern gehörtes Argument von ‚Impfmuffel‘. Belegen aber lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht. Unser Immunsystem kann nicht unterscheiden zwischen einem ‚natürlichen‘ Masernvirus oder ein abgeschwächtes Impfvirus. In beiden Fällen baut er eine Abwehr gegen zukünftige Infektionen auf. Zu unterschätzen ist bei Masern erkrankten Kindern aber nicht die Gefahr einer Lungen- oder Gehirnentzündung (Enzephalitis).

12. Krebsfrüherkennung rettet viele Leben.
Ein heikler Punkt, der aktuell in der Brustkrebs-Früherkennung diskutiert wird. Selbstverständlich gilt das Prinzip, dass ein Krebs umso besser behandelt werden kann, je früher er erkannt wird. Einerseits erkennt die Mammographie zwar einige Tumore. Doch oft ist nicht sicher, ob die Geschwülste gut- oder bösartig sind. Es kommt häufig zu Fehlalarmen (sog. falsch-positiven Befunden), die nicht nur Stress auslösen, sondern sogar schaden können, zum Beispiel im Falle von Biopsien oder wenn sinnlose Operationen durchgeführt werden. Zusätzlich wird der Körper durch die Röntgenstrahlung bei der Mammographie belastet.

13. Rotz in der Nase darf man nicht hochziehen.
Jetzt wird's ein wenig eklig. Durch das Hochziehen wird ein Unterdruck in der Nase erzeugt, der auch den Schleim aus den Nasen Nebenhöhlen befreit. Den darf man dann getrost herunter schlucken: unser Magen wird damit schon fertig.

14. Beim Nasenbluten hilft es, sofort den Kopf nach hinten zu legen.
Das Gegenteil wird mittlerweile empfohlen. Also den Kopf nach vorne beugen, so dass das Blut abfließen kann. Zwischendurch die Nasenflügel zusammen drücken, um die Blutung rasch zu stoppen.

15. Schokolade ist schuld an Akne.
Amerikanische Forscher werteten zu diesem Thema 27 hochwertige Studien aus und kamen zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen Zucker und Hautbeschaffenheit nur gering ist. Süßes kann lediglich eine bestehende Akne verschlimmern. Für fette Mahlzeiten kann dieser Zusammenhang gar nicht nachgewiesen werden.

16. Rohes Gemüse ist besonders gesund.
Stimmt nicht grundsätzlich, da unser Körper die Vitamine E, D, K und A, weil fettlöslich, nicht aus dem Gemüse aufnehmen kann. Möhren, Paprika oder Tomaten sollten daher gedünstet oder mit etwas Fetthaltigem vertilgt werden.

17. Der Schlaf vor Mitternacht ist der wertvollste.
Auf den Zeitpunkt kommt es nicht an, sondern auf Regelmäßigkeit. Wichtig für die Erholung ist die Tiefschlafphase nach dem Einschlummern. An den Zeitpunkt gewöhnt sich unser Körper. Wer also regelmäßig nach Mitternacht erst zu Bett geht, bekommt also auch seinen wertvollen Tiefschlaf.

18. Eine Rasur lässt das Haar wachsen.
Wer hätte noch eine Glatze, würde dieser Mythos wahr? Nachwachsende Haare sind noch nicht der Sonne ausgesetzt. Insofern erscheinen sie – ohne es zu sein - zumindest bei Dunkelhaarigen dicker und dunkler.

19. Angeschaltete Handys im Krankenhaus stören die elektrischen Geräte.
1993 gab es einen entsprechenden Artikel im ‚Wall Street Journal‘. Allerdings gibt es keine seriösen Studien, die entsprechende Gefahren nahelegen.

20. Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns.
Diese Mythos soll angeblich auf Alber Einstein zurückgehen. Allerdings gibt es keine belastbar überlieferte Aussage von ihm. Auf den Grund gehen kann man die These mit modernen bildgebenden Verfahren. Um dann festzustellen: in jedem Winkel unseres Denkorgans ist ein reges Treiben festzustellen und nicht nur in zehn Prozent.

Quelle:
Die ZEIT Nr. 45/2014